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Frage: Herr Kathrein, was verstehen Sie unter „Ego-Crash“?
Kathrein:  Kurz formuliert, ist es der Moment, der uns immer wieder begegnet, wenn Dinge nicht so laufen, wie wir sie uns wünschen und wir auf allen möglichen Ebenen – in Beziehung, Familie oder Beruf – nicht vorwärts kommen, gemobbt werden, einen Burn-Out erleiden oder ähnliches. In dem Moment merken wir vielleicht, dass es im Leben noch etwas anderes gibt als das Hamsterrad des Erfolgs und der Konkurrenz: nämlich die Menschlichkeit, das liebevolle Miteinander vom Herzen und von der Authentizität des wahren Seins her.  Man bemerkt, dass es viel schöner ist, in Liebe miteinander zu leben statt in Angst. Wenn man dann in die Tiefe schaut, was wir in unseren Seminaren und Einzelsitzungen machen, kann man sehr schön aussortieren, was die Seele sich als Lebensthematik gewählt hat, z. B. bestimmte traumatische Geschehnisse in der Kindheit, und dass diese Prägung, die man erhalten hat, nun auf Transformation wartet – dass man sich aus dem Ego schält oder sich weiterführend sogar in die Buddha-Natur begibt.

Frage: Ist das der Ansatz Ihrer „Lebensthemen-Therapie“?
Kathrein:  Genau. Da kommen natürlich einige Erkenntnisse zusammen. Ich werde jetzt 51, bin aber seit meinem dreizehnten Lebensjahr fragend unterwegs, und das, was ich außerhalb von mir vorfand, ob im Elternhaus, in der Kirche, Schule etc., ließ mich fragen, ob es das nun wirklich alles gewesen ist oder ob es auch Antworten dahinter gibt wie etwa andere Möglichkeiten des Zusammenlebens… 

Ich habe da Einiges mitgekriegt, von den auslaufenden 68ern – Atomkraftgegner, Hippie-Bewegung, spirituelle Bewegung, die Grünen, Guru-Geschichten etc. – überall musste ich feststellen, ob in Wohngemeinschaften oder Beziehungen, dass es nicht wirklich funktionierte, weil uns unser eigenes Ego im Wege steht. Es ist das größte Problem für unser Wachstum und das wichtigste Thema heute in der Gesellschaft, um über die Hürden, vor denen wir jetzt stehen, drüber zu kommen. Das heißt, nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch in unserem Heim: wie wir mit den Kindern umgehen, wie wir Kinder als Seelenwesen verstehen und wie wir überhaupt die Welt verstehen, den Sinn des Lebens. Und ob wir, basierend auf dem neuen Wissen, das uns ja zur Verfügung steht, nicht doch wagen, anders miteinander umzugehen.

Frage: Was natürlich schwierig ist in einer Welt, in der die Menschen alle ihren alten Drehbüchern folgen…
Kathrein:  Ja, und der Rest wird vorgegaukelt, angefangen von der Bravo bis zum Fernsehen: Wie man was zu tun hat, zu sein hat, wem man nacheifern sollte…Letztendlich sollte es viel mehr Medien geben, die die Selbstfindung oder das, was hier real und wahr ist, darstellen. Und leider gibt es auch im Bereich der Spiritualität und der Therapie ganz viele Bücher und Leute, die unheimlich viel erzählen, was aber doch manchmal sehr irreführend ist. Da sind Menschen unterwegs, die nicht wirklich aufgeräumt sind und denken, ach, da schreib ich doch mal schnell ein Buch, ruf mal ein Engelchen an oder mache eine Bestelliste fürs Universum (lacht). Und das ist doch etwas, was die Medien heraus stellen müssten: Dass auch hier Leute unterwegs sind, denen man nicht trauen kann, weil das, was sie sagen, nicht das ist, was sich im Sein zeigt. Die Menschen heute brauchen auch keine Gurus mehr, sondern geschultes Personal, das mit ihnen am Ego arbeitet, sodass sie es auflösen und erlösen können. Und dann brauchen sie auch keinen mehr, der ihnen irgendwelche Energiequellen vorsetzt, weil sie bereits ganz wach, ganz bewusst und liebevoll aus ihrer eigenen Quelle heraus leben können.


Quellennachweis:
Norbert Classen - News Age Magazin 3/2009