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Mensch, werde wesentlich



Sprache und Erkenntnis (Teil 1 von 6)
 
Was kann Sprache, und inwieweit haben Denken, Wünschen, Wahrnehmen kreative Kraft, auch unsere äußere Wirklichkeit zu gestalten? Das ist heute ein zentrales Thema sowohl unter spirituell Bewegten wie unter profan Aufgeklärten. Eine genaue Beobachtung der Wirkungsweise von Sprache – von privat bis politisch – hilft beim Wünschen und Planen einige typische Irrtümer zu vermeiden
Ich bin kein Wortgläubiger – das mal als erstes, bevor ich mich hier auf acht Seiten mit sprachlichen Mitteln über Sprache auslasse. Zu verstehen, wie Sprache funktioniert, und dies am eigenen Leib und Geist achtsam mitverfolgen zu können, schätze ich über alles: Es befreit uns vor unwillkommener Verführung, es macht uns souverän, kreativ, selbstständig, es befreit uns sogar im höchsten Sinne der aus Indien stammenden Vokabeln Moksha (die spirituelle Befreiung), Nirvana und Nirodha (das Verlöschen aller Illusionen), behaupte ich. Ist das zu viel versprochen? Lasst es uns ausprobieren … unsere eigene Verführbarkeit durch Worte anderer Menschen und unser eigenes, autosuggestives, inneres Zwiegespräch (das Denken rechne ich jetzt mal hier dazu) sollten wir dabei nicht unterschätzen.
 
Interpretationssysteme
Neulich auf einer langen Fahrt zu meiner Schwester nutzte ich die Zeit allein im Auto zum Nachdenken. Als ich bei ihr ankam, hatte ich ein Fazit auf den Lippen: Sprachen, Ideologien, Philosophien und Religionen sind in ihrem Wirken und Funktionieren einander so ähnlich, dass es dafür eigentlich einen Oberbegriff bräuchte. Vielleicht »Weltanschauung«? Dann wäre jede Sprache auch eine »Weltanschauung«, also eine Art, die Welt zu betrachten – eine Brille, durch die wir auf die Welt schauen. Oder wir fassen alle politischen und religiösen Ideologien unter dem Oberbegriff »Sprache« zusammen, als Begriffssysteme, die die wahrgenommene Welt interpretieren. Als ich bei meiner Schwester ankam, war ich so high von dieser Erkenntnis, dass ich sie ihr gleich mitteilen musste. »Oh, so habe ich das noch nie betrachtet«, antwortete sie – »darüber muss ich nachdenken«.
 
Begriffe sind nur Begriffe
Das Gute an einem solchen Oberbegriff wäre, dass wir uns bei einem Verständnis der Ähnlichkeit solcher Weltinterpretationssysteme nicht mehr darüber streiten müssten, ob Gott und sein Prophet abgebildet werden dürfen, oder wer ins Paradies und wer in die Hölle kommt. Wir könnten nicht einmal mehr darüber streiten, wer recht hat, denn dann geht es nur noch um Übersetzungen aus dem einen Begriffssystem in ein anderes. Sollten wir den erschießen, der es nicht schafft, »Heimat« ins Japanische zu übersetzen? Nein, wir würden dann einfach weiter üben, auf Japanisch die richtigen Worte dafür zu finden. Wir wären nicht mehr Konquistadoren, Missionare oder Propagandisten, sondern stattdessen Interpreten, Übersetzer, Dolmetscher. Zu wissen, dass Begriffe nur Begriffe sind und nicht dasselbe wie das, was sie meinen, ist eine sehr fundamentale Erkenntnis.
 
Nur Verstehen befreit
Auf dem »Achtfachen Pfad« der Buddhisten befassen sich immerhin drei von den acht Regeln mit Sprache und Erkenntnis: rechte Einsicht, rechte Rede und rechte Achtsamkeit, die anderen fünf haben indirekt damit zu tun. Auch andere Philosophien und Befreiungswege geben dem Verstehen einen hohen Stellenwert, oft sogar den höchsten – und Verstehen hat mit Sprache zu tun. Auch mit der Abwesenheit, dem Aufhören von Sprache, der Stille. Zunächst aber geschieht Verstehen über Begriffe, die etwas zu begreifen versuchen. Wenn wir sie anwenden, sollten wir uns bewusst sein, dass wir sie anwenden. Didaktiker und Sprachphilosophen nennen das »Meta-Bewusstsein«: Wenn du sprichst, zuhörst, liest oder schreibst, wisse, dass du eben das tust. Sei nicht so fasziniert, dass du beim Sprechen oder Zuhören ganz »dort bist«, verschwunden im Wahrnehmungstunnel der angewandten Begriffe oder in der Welt, in die sie dich entführen, sondern bleib mit wenigstens einem Teil deines Bewusstseins hier, wissend, dass du jetzt gerade durch Sprache in eine Anderswelt versetzt wirst.
Und dann kommt das Verstehen. Es kann durch Worte ausgelöst werden, aber auch durch anderes. Nichts sonst befreit und erleichtert so sehr, wie das Verstehen dessen, was uns bedrückt, verstrickt oder gefangen gehalten hat. Die Illusionen, in denen wir uns verfangen hatten, verlieren wir erst, wenn es »Aha« macht. Klick, ich habe verstanden. Dann fällt das Muster ab, und wenn du wirklich verstanden hast, kommt es nie wieder. Etwas wegzuzaubern (positives Denken, Segnen) verdrängt nur oder tröstet, in den besten Fällen befreit es immerhin vorübergehend.
 
Sündenregister der Menschheit
Seit ich mit 16 eine Zeitlang in Südfrankreich auf der Schule war, lerne ich gerne Sprachen. Ab 18 kamen einige asiatische Sprachen hinzu, mit denen ich dem zu entfliehen suchte, was Europa mir übergestülpt hatte. Heute spreche ich Deutsch und Englisch fließend, Französisch passabel, Italienisch und Spanisch kann ich lesen und komme damit in diesen Ländern auch mündlich ein bisschen zurecht, bin also sprachlich wieder ganz in Europa angekommen. Türkisch, Hindi, Malaiisch und Thai habe ich wieder vergessen. Macht nix, auch die europäischen Sprachen sind voller Wunder!
Als ich neulich wieder mal meiner Leidenschaft nachgab, in Wörterbüchern zu schmökern (es war der große Pons Spanisch – Deutsch / Deutsch – Spanisch auf meinem iPad), hatte ich folgenden Eindruck: Mit diesem umfangreichen Wörterbuch hatte ich das Sündenregister der spanischsprachigen und der deutschsprachigen Menschheit vor mir! Es ging mir wohl so ähnlich wie den Erforschern der Frühzeit, wenn sie bei Ausgrabungen einen Kodex von Gesetzen finden, in dem Strafen registriert sind für das, was damals ein Delikt war. Dann schließen sie daraus, dass sich Menschen damals so verhalten haben, wie in diesen Delikten beschrieben, sonst hätte es ja dieses Verbots gar nicht bedurft. So ist es mit den Worten in einem Wörterbuch: Jedes einzelne nennt eine in der jeweiligen Sprachgruppe gebräuchliche Wahrnehmungseinschränkung, die auch heute noch zur Verabreichung von Verstehtrancen genutzt wird. Jedes einzelne kreiert einen eigenen Wahrnehmungstunnel; jedes eine eigene, kleine Sünde gegen die Wahrnehmung des Ganzen. Wer spricht, müsste eigentlich gleich danach beichten gehen. Ich blättere gerne in solchen Sündenregistern – immer wieder neue Sünden kennenzulernen, was für ein Abenteuer!
Wolf Schneider, Jg. 1952. Autor, Redakteur, Kursleiter. Studium der Naturwissenschaften und Philosophie (1971–75) in München. 1975–77 in Asien. 1985 Gründung der Zeitschrift connection. Seit 2007 Theaterspiel & Kabarett. Kontakt: schneider@connection.de

 




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Radio-Interview mit Wolf Schneider:
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Wolf Schneider

Wolf Schneider, Jahrgang 1952, studierte Naturwissenschaften und Philosophie in München. Schon während seines Studiums begab er sich auf Reisen. Die nächsten Jahre verbrachte er in Europa und Südasien, wo er ab 1976 als buddhistischer Mönch in Thailand lebte und von 1977-1990 Schüler von Osho war. Zurück in München gründete er 1985 die Zeitschrift connection, die noch heute als connection Spirit mit der Sonderheftreihe connection Special erscheint. Seinen 2005 gegründeten Verlag mit integrierter "Schule der Kommunikation" wandelte er Anfang 2008 erfolgreich in eine AG um. Im Connectionhaus veranstaltet er Jahrestrainings unter dem Motto: "Kreativität, Kommunikation und Inszenierung". Mit seiner offenen, ehrlichen und humorvollen Art zu kommunizieren, schenkte er uns ein wunderbares Theaterstück (Zauberkraft der Sprache) und zahlreiche Bücher, die uns Leser in eine spannende Welt der Spiritualität entführen. Sein neuestes Buch: "Das kleine Lexikon esoterischer Irrtümer" erscheint im August 2008 im Gütersloher Verlagshaus.



Zusätzliche Informationen:
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